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Justizminister Maas fordert von Suchmaschinen mehr Transparenz beim Zustandekommen ihrer Suchergebnisse. 

Genaugenommen fordert er dass im Moment lediglich von dem Quasimonopolisten Google. Diese "Offenlegung" des Algos lediglich vom Marktführer zu verlangen dürfte der falsche Ansatz sein. Auch aus rein juristscher Betrachtung.

Zunächst: Wenn mehr Transparenz in dieser Ecke, dann aber bitte von allen.

Wie die Vergangenheit gezeigt hat, kann eine marktbeherrschende Suchmaschine von heute, morgen schon ein Nischenangebot sein. Kennt jemand noch Alta Vista? Die waren mal richtig gross im Geschäft. Gut, dass es dem jetzigen Marktführer ebenso geht wie einst Alta Vista, die ab 1995 einen kometenhaften Start hinlegten, mittlerweile aber gar nicht mehr existieren, ist eher nicht zu erwarten. Alta Vista versorgte auch das danach immer stärker in den Markt drängende Yahoo mit Suchergebnissen. Wer heute www.altavista.com in die Suchmaske seines Browsers (wovon die Mehrheit keine Ahnung mehr zu haben scheint, dass es diese Möglichkeit überhaupt gibt) wird zu Yahoo umgeleitet. Auch Yahoo ist mittlerweile ein Star von gestern. Trotzdem fürchtet Google nichts so sehr wie einen heute vielleicht noch im stillen Kämmerlein Werkelden, der morgen mit einer neuen, bahnbrechenden Idee auf den Suchmaschinenmarkt kommen könnte.

Vorausgeschickt: Wir halten den jetzigen Justizminister Maas für einen guten Mann in dieser Position. Besonnen, unpopulistisch und es bleibt zu hoffen, dass er sich nicht verbiegen lässt und Gelegenheit erhält sich nicht verbiegen zu lassen. Eines kann er sich jedoch abschminken: Dass Google jemals auch nur ansatzweise freiwillig in diese Richtung gehen wird. Und selbst wenn Google, was im Übrigen auch für Nebendarsteller wie Bing oder Yahoo gilt, sich bereit erklären würde etwas dazu zu sagen, wie sie sich ihre Meinung zu "guten, relevanten" Suchergebnissen bilden, wer würde die Gegenprobe machen können? Wer sagen können, ob die Angaben vollständig oder wahr sind? Dazu ist die Materie viel zu komplex. 

Nehmen wir mal als Beispiel die Resultate zur Sucheingabe "Nachrichten". Da stehen seit ewigen Zeiten tagesschau.de, spiegel.de, n-tv.de, bild.de, n24.de, heute.de wie festgemauert an den vorderen Positionen, während z. B. die Webseite der Süddeutschen dauernd am Rumhampeln ist. Mal findet sie sich auf Position 8 oder 9 auf der ersten Seite der Ergebnisse, mal dümpelt sie damit fast unsichtbar geworden auf den Positionen 10, 11, 13, 13, 14 der zweiten Seite der Ergebnisse rum. Seit Googles Neuerung "Nachrichten zu Nachrichten" hat es auf der ersten Ergebnisseite zum Suchbegriff Nachrichten nur noch 9 Ergebnisse.

Bei den hier aufgezählten Giganten kann es an sich aus der Webseite ergebenden Faktoren (Ongape, Offpage) kaum liegen. Onpage ändern die nichts und Offpage haben die alle satt, so satt, dass da schon viel passieren müsste, damit sich an der Gewichtung etwas ändern würde. Warum geht es also bei der Süddeutschen ständig, manchmal täglich, rauf und runter? Und warum dümpelt die durchaus wichtige und erstzunehmende, aber auch googlekritische faz.net immer irgendwo auf Seite 3 der Suchergebnisse rum? *_

Niemand hat eine Antwort auf diese Fragen. Google würde es lapidar mit ihrem "neutralen", weil automatisiertem Algo begründen: "Da muss halt etwas sein, was mit den Vorgaben unseres Algos für Relevanz oder unseren Vorstellungen wie eine ideale Website auszusehen hat mal mehr, mal weniger konform geht." Soll sagen: "Wir können gar nicht manipulieren, weil der Algo ein Programm ist und wir deswegen gar nicht vorhersehen können, wen eine Änderung an diesem Algo nun hochbringen oder runterreissen wird." Ist dem so? Und wie sieht es mit denen aus, die dem Algo vorher sagen was er zu beachten hat?

Das alles kann man glauben, dass muss man aber nicht glauben und wenn es um so viel Geld geht, sollte man es auch nicht bedingungslos glauben. So oder so ähnlich wird es Justizminister Maas wohl auch sehen.

Die Zahl 200 schwirrt nun schon seit Ewigkeiten in der Welt der SEOs herum. 200 Kriterien, nach denen Google angeblich die Relevanz von Webseiten beurteilt. 200 wurde schon vor zehn Jahren genannt, 200 sollen es heute immer noch sein, obwohl in den letzten 10 Jahren enorm viel mehr möglich geworden ist. 

Theoretisch möglich und auch wahrscheinlich, auch nach den automatisierten Regeln des Googlealgos, dass der Robot 5, 10 oder mehr absolut gleichwertige Webseiten findet. Was dann? Kann dann möglicherweise der fehlende oder nicht ganz passende Alt-Tag eines Fotos darüber entscheiden, ob eine Webseite statt auf Position 1 auf Position 5 gelistet wird, wobei Position 1 sowas darstellt wie ein mietfreies Geschäftslokal auf der Düsseldorfer Kö und Position 5 sowas wie ein Ladenlokal in einer weit abgelegenen Seitengasse.

Google zerschlagen? Von Deutschland aus? Das dürfte wohl ziemlich unrealistisch sein. Google reglementieren? Das dürfte, wie die Vergangenheit bisher zeigte, in jedem Einzelfall ein langwieriges Unterfangen werden, nicht zuletzt wegen des inzwischen völlig ausgeuferten Lobbyismus an den Entscheidungsstellen der EU, aber 500 Millionen Europäer und Umsatzbringer sind auch für Google ein Argument dem sie sich nicht verschliessen können.

Der gute Wille etwas bewegen zu wollen, gepaart mit einer eigenen, doch relativ guten Grundkenntnis, ist bei Justizminister Maas erkennbar. Vielleicht sollte er sich jedoch bei sich noch stellenden Fragen an Menschen wenden, die sich seit Jahren täglich mit Google und dessen Strukturen befassen. Es muss ja nicht gerade Sascha Lobo (der mit dem roten Hahnenkamm) sein, den Fremdwortüberstrapazierer, dem manchmal nur schwer zu folgen ist. Hier zwei Anlaufadressen: https://seo-nw.de/ + www.abakus-internet-marketing.de/foren/

Die Jungs und Mädels würden wahrscheinlich begeistert sein, wenn dort mal jemand persönlich auftauchen würde, der auch etwas bewegen könnte.

Presseberichten zufolge soll Justizminister Maas ein Missverständnis aufgeklärt haben indem er erklärte, dass er nicht die Herausgabe des Suchalgorithmus im Detail anstrebe, sondern, dass er fordere, dass Google die Kriterien, nach denen die Suchergebnisse geordnet sind, offen lege. Jeder der sich in der Materie auskennt weiss, dass es nicht darauf ankommt was gewichtet wird, sondern wie es gewichtet wird. Eine Liste wie Kriterium 1, Kriterium 2, Kriterium 3 wäre also völlig wertlos, diese Kriterien gelten weitestgehend als bekannt. Eine nachprüfbare Offenlegung der Kriterien käme also einer Offenlegung des Suchalgorithmus im Detail gleich.

Und wie schon einmal angesprochen: Wenn einer, dann alle. Soviel "Fair play" sollte auch gegenüber Google sein. 

Google reagierte auf die Anregungen von Justizminister Maas in gewohnter Weise. Es wurde "klargestellt", dass für den Nutzer relevante (die Kriterien für "relevant" legt natürlich Google fest) Ergebnisse angezeigt werden. Soweit, so gut, soweit so vernebelt. Weiter liess Google verlauten, dass die Suchergebnisse nicht durch kommerzielle Interessen beeinflusst werden. Das lässt zumindest mal den Umkehrschluss zu, dass die Suchergebnisse möglicherweise durch Interessen sonstiger Art beeinflusst werden könnten.

Weiter meinte Google, dass die Trennung zwischen Werbeanzeigen und strikt nach Relevanz geordneten Suchergebnissen seit jeher ehernes Prinzip bei Google sei. Mittlerweile stimmt das wohl in Deutschland. Aber von jeher? Gab es da nicht mal Zeiten in denen die Werbung über und unter den Suchergebnissen sich lediglich durch ein kaum zu erkennendes Hellstgrau abgrenzte? Und warum musste der Bundesgerichtshof erst ein Machwort sprechen, damit dann Werbung auch tatsächlich gut als Werbung erkennbar wurde? Dieses '"seit jeher eherne Prinzip" sei auch durch Prüfungen der Wettbewerbshüter in den USA und der Europäischen Union bestätigt worden, so Google weiter. Und auch hier muss die Nachfrage erlaubt sein: "Ist dem so oder ist das wieder lediglich Googles eigene rechtliche Interpretation einer Sachverhaltsbeurteilung?"

Als Zwischeneinwurf: Wie an dieser Webseite unschwer erkennbar sind diese Seiten nicht sehr "googlefreundlich". Irgendwann hatten wir es satt, wie das berühmte Kaninchen auf Google zu starren und deren Wohlwollen zu erhoffen. Dabei ist uns durchaus bewusst, dass wir zum grossen Teil, wie zigtausende andere mit dem Internet Arbeitende auch, von Google abhängig sind. Soll sagen: Wir richten uns nicht mehr auf Google aus, von der Materie verstehen wir trotzdem etwas. Und ist keineswegs so, dass wir an das Gute in Google glauben, glauben, dass Google nicht "evil" ist. Und wir haben auch die Googleschere im Kopf, die uns sagt, dass Google uns diesen Artikel durchaus übel nehmen könnte, womit wir dann wieder bei den nichtkommerziellen Gründen wären, die Google veranlassen könnten eine Webseite z. B. unsichtbar zu machen oder in den Suchergebnissen nach hinten durchzureichen.

Das anfangs kleine, innovative und auch sympathisch rüberkommende Google begab sich in die Hände von gierigen "Ich-lass-mein-Geld-für-mich-arbeiten-Typen", Aktionären die sofort abspringen, wenn sich irgendwo eine bessere Rendite auftut und ist jetzt zum Wachstum verurteilt. Inwiefern ist es also glaubhaft, wenn Google behauptet, man wolle den Benutzern mit den "organischen Serps", den Suchergebnissen nur das für sie Relevanteste liefern? Inwiefern ist es glaubhaft, wenn Google behauptet der Versuchung der Vermischung von allem, auch zum eigenen Nachteil, widerstehen zu können? Die Regeln des Turbokapitalismus anlegend: Wenig bis nicht.

Bei Adsense möglicherweise, ganz sicher aber bei Adwords könnte der Klickbetrug mit einfachen Mitteln unterbunden werden, ohne dass Google dadurch an Umsatz verlieren würde. Warum wird es nicht gemacht? Gleiches gilt natürlich auch für Werbung bei Bing und somit Microsoft.

Für die "natürlichen" Suchergebnisse könnte z. B. sowas wie ein Rotationsprinzip genutzt werden, welches bei in etwa gleichwertigen Seiten die Einnahmen "gerechter" verteilt. Manchmal Sekt, manchmal Selters, aber für alle (und vor allem für die lästigen Spammer und Blackheads) und nicht immer Champagner nur für die ganz vorne. Damit wäre zumindest einmal der nicht ganz unberechtigte Verdacht der Bevorzugung einiger, guter Geschäftspartner der Werbung aus der Welt. Einem Suchenden ist es scheissegal wo er das Gesuchte findet. Warum wird es nicht gemacht?

Larekursi, eine Forderung nach mehr Transparenz, wie von Justizminister Maas eingefordert, geht absolut in die richtige Richtung, kann aber nur ein Anfang sein. Auch die Rechtsfindung wird, wenn es um Fragen des schnelllebigen Internets geht, erheblich mehr Tempo an den Tag legen müssen, möglicherweise weniger Kompromissbereitschaft, deren Folge langwierige, meist nichts bringende und lediglich aufschiebende Diskussionen sind. Die Vergangenheit zeigte bereits, dass, während noch langwierig um Kompromissregelungen "gerungen" wurde, der streitgegenständliche Sachverhalt schon Schnee von gestern war, weil neue Sachverhalte geschaffen worden waren, die wiederum einer Neubetrachtung bedurften.

UBER oder Airbnb sind die Vorboten von dem was noch auf uns zukommen wird. Plattformen im Internet, deren Betreiber glauben bestehende Gesetze müssten ihren Geschäftskonzepten angepasst werden und deshalb glauben bestehende Gesetze ignorieren zu können, Plattformen die Stimmung machen, Meinung bilden und in drei Monaten schneller wachsen und an "Wert" gewinnen, als es gestandene Weltkonzerne mit Substanz in Jahrzehnten geschafft haben. Darauf muss sich eingestellt werden und das ist mit Personen, die das Internet immer noch für etwas Ähnliches wie Nitendo halten nicht zu machen.

CLW

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* Nachtrag: Kaum hatten wir diese Abhandlung veröffentlicht, stabilisiert sich die Süddeutsche auf der ersten Seite der Ergebnisse bei Goolge, die FAZ hat den Sprung auf die Seite zwei der Ergebnisse geschafft. Das liegt aber sicherlich nicht an uns, sondern an irgendetwas was Goolge wieder am Algo rumgeschraubt hat.

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