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EuGH-Entscheidung zu "Die Realität" - Europäischer Gerichshof sagt ja zum I-Framing, zur Einbettung fremder Inhalte in eigene Webseiten.


Nachdem durch die durchaus korrekten Entscheidungen zum Verlinken, die besagten, dass ins Internet eingestellte Verlinkungen rechtens sind, in dieser Ecke mal für Ruhe gesorgt haben, kommt jetzt ein EuGH-Urteil daher, welches die Verfechter der Kostenloskultur, die an dieser Kostenloskultur selbst bestens verdienen, aufjubeln lassen dürfte: Das Darstellen fremder Inhalte in I-Frames eigenen Seiten kann durchaus rechtens sein. 

Viele Experten im Suchmaschinenbereich vertreten jedoch mittlerweile die Meinung, dass Verlinkungen auch dazu genutzt werden können eine Website bei "Google" abzuschiessen. Unter diesem Aspekt könnte es jedoch durchaus wieder gerechtfertigt sein, wenn ein Webseitenbetreiber das Verlinken seiner Webseite von seiner Zustimmung abhängig macht.

Aber klären wir zunächst einmal was eine "normale" Verlinkung normalerweise im Internet darstellt und welche Auswirkungen sie für einen Verlinkten hat.

Verlinkt wird normalerweise, wenn die verlinkte Seite irgendwelche Inhalte hat, auf die der Verlinkende (aus welchem Grund auch immer) hinweisen will. Klickt nun jemand diesen Link verlässt er die Webseite des Verlinkenden und gelangt auf die Webseite des Verlinkten, wo er sich, wenn ihn das dort Angebotene zusagt, auf dessen Webseite weiter umsehen kann. 

So gesetzte Links haben auch den manchmal angenehmen Nebeneffekt, dass damit die Webseite des Verlinkten auch bei Suchmaschinen besser gewertet wird. Die Suchmaschine ist ein "dummes" Programm, welches lediglich registriert: "Aha, dies oder jenes auf dieser Webseite wird von anderen verlinkt, es muss sich dort also etwas finden, was auch andere (Und auch hier: Warum auch immer!) interessiert". 

Das Einbinden fremder Inhalte mittels I-Frame auf der eigenen Webseite ist mit diesem "normalen" Verlinken überhaupt nicht vergleichbar. Es sind auch keine Deeplinks, wie das in verschiedenen Publikationen behauptet wird.

Während beim "normalen" Verlinken der User zu den fremden Inhalten hingeleitet wird, werden beim I-Framing fremde Inhalte auf die Seite gezogen, auf der sich der User gerade aufhält. 

Und es ist keinesfalls selbstverständlich, wie das Gericht meint, dass ein User das auch sofort erkennt. Und auch wenn er es erkennt, legaler wird es damit nicht. In den Anfangszeiten des Internets sahen die Gerichte das Einbinden fremder Inhalte in eigene Seiten noch mehr als kritisch und bestätigten verlangte Unterlassungserklärungen.

Mittlerweile zeigt sich ein bedenklicher Trend bei Gerichten, es wird sich immer weniger an bestehenden Gesetzen orientiert, sondern dem geschickt manipuliert lancierten "Zeitgeist" der Kostenloskultur gefolgt. So ein "bedenkliches Beispiel" ist z. B. die BGH-Entscheidung zur Google-Bildersuche; das Unterstellen eines konkludenten Einverständnisses des Rechteinhabers eines Fotos. Was der BGH möglicherweise übersehen hat ist, dass es da vielleicht doch den ein oder anderen gibt, der im Internet nicht so wirklich fit ist, sich eine Webseite mit eigenen Fotos erstellen lässt und dann feststellen muss, dass seine Fotos "wiederverwendet" werden. Wer die Gepflogenheiten im Internet nicht kennt, kann sich auch nicht konkludent einverstanden erklären und wenn nur gegen das Recht eines Einzelnen verstossen wird oder verstossen werden könnte, hat es insgesamt zu unterbleiben. Das deutsche Urheberrecht ist da bis heute sehr konsequent. Sollte sich das wirklich noch nicht bis zu allen Kammern des BGH durchgeprochen haben?

In den hier besprochenen Fall könnte der BGH es jedoch durchaus richtig gesehen haben.

Was war passiert? 

Die Klägerin (wohl eine Gesellschaft und keine Frau) stellt Wasserfiltersysteme her und liess einen zwei Minuten langen Aufklärungsfilm mit dem Titel "Die Realität" herstellen, der sich mit dem Thema Wasserverschmutzung befasste. Diese Firma hat alle Rechte an dem Film. Jetzt soll irgendwann dieser Film, wir vermuten einfach mal aus dem Vortrag heraus, dass dieser Film bis dahin lediglich auf deren Webseite veröffentlich war, von irgendjemandem bei Youtube eingestellt worden sein. Derjenige müsste ihn also ohne Zustimmung kopiert haben.

So, jetzt gab es da zwei Handelsvertreter, die für ein Konkurrenzunternehmen tätig waren. Die bauten sich jeweils eigene Webseiten, oder liessen sie bauen, in denen sie für ihre Brötschengeber ganz toll Werbung machten. Sie bauten per I-Framing das von der Konkurrenz erstellte Video und auf Youtube von irgendjemand bei Youtube unrechtmässig eingestellte Video in Ihr Webseiten ein.

...

So, und an dieser Stelle halten wir einmal kurz ein und fragen uns warum die das wohl getan haben?

Antwort A: Sie wollten Geld sparen?
Antwort B: Sie wollten Ihre Webseiten "aufpolieren"?
Antwort C: Sie wollten sich oder die Produkte, die sie vertrieben, als besonders kompetent darstellen?
Antwort D: Sie hofften so mehr zu verkaufen?
Antwort C: Sie wollten darauf hinweisen, dass es noch andere Anbieter gibt, aber einen direkten Link vermeiden?

Jeder halbwegs vernünftige Menschen wird jetzt wohl irgendwie im Gefühl oder Hinterkopf haben, dass da irgendetwas ist, was nicht so ganz zusammen passen will. Nicht ganz zusammenpassen will, wenn nun jetzt einer daherkommt und sagt: "Wieso? Ist doch alles in Ordnung. Ich kann überhaupt nicht verstehen, was daran nicht in Ordnung sein soll". Nicht ganz zusammenpassen will, wenn nun der EuGH daherkommt und sagt. "Jo, is in Ordnung so, können die so machen, kann jeder so machen".

...

Aber machen wir einmal weiter: 

Die beiden Handelsvertreter haben dann wohl unterschrieben in Zukunft zu unterlassen. Das Landgericht München hat die beiden dann wohl zu je 1000 Euro Schadensersatz verurteilt, das Oberlandesgericht München hat diese Verurteilung dann aufgehoben, aber die Revision (Revision = grob: Überprüfung ob Verfahrensmängel vorliegen) zum BGH zugelassen, der hat sich nicht so wirklich getraut und die Sache zur Entscheidung an den Eurpopäischen Gerichtshof weitergeleitet.

Der Kernpunkt der Frage an den EuGH im Original:

"Auch derjenige, der, wie im vorliegenden Fall, ein auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachtes fremdes Werk im Wege des „Framing“ zum integralen Bestandteil seiner eigenen Internetseite macht, erleichtert Nutzern seiner Internetseite nicht nur den Zugang zu dem auf der ursprünglichen Internetseite vorgehaltenen Werk. Vielmehr macht er sich das fremde Werk durch eine solche Einbettung in seine eigene Internetseite zu eigen. Er erspart sich damit das eigene Bereithalten des Werkes, für das er die Zustimmung des Urhebers benötigte. Ein solches Verhalten ist nach Ansicht des Senats bei wertender Betrachtung als öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG einzustufen, die einer gesonderten Erlaubnis des Urhebers bedarf."

Gut, das geht ja jetzt etwas am ursprünglichen Sachverhalt vorbei, weil es sich um ein Einbetten eines "illegal" bei Youtube eingestellten Videos handelte, was nach unserem Dafürhalten ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Punkt in diesem Verfahren darstellt: Die Frage: Darf ich alles was irgendwo anders eingestellt ist, bedenkenlos bei mir im I-Frame einstellen, ohne Weiterungen fürchten zu müssen? Es stellt sich die Frage: "Hat der BGH die falsche Frage an den EuGh gestellt?" Und es stellt sich die Frage, ob der EuGH nun aus einer falschen Fragestellung heraus eine Frage so allgemein beantwortet hat, dass die "Alles-kostenlos, ausser uns braucht keiner zu verdienen-Fraktion" nun aufjubeln kann.

Soll das Urteil jetzt aussagen, da ja vom Server von z. B. Youtube gezogen werden muss, wenn in einem I-Frame dargestellt wird, dass jeder es von dort aus bedenkenlos einbinden kann, weil der Rechteinhaber es ja auf Youtube löschen lassen kann, wenn es dort unbefugt eingestellt wurde und mit der Löschung somit auch für Dritte nicht mehr verwendbar ist? Und was wäre dann, wenn so ein Betreiber im Ausland sitzt und nicht zur Löschung gezwungen werden kann? Und was ist mit der Zwischenzeit, die zwischen Löschaufforderung und Löschung liegt? Was, wenn das Video, weil nun vielfältig auffindbar, vom Youtubeserver kopiert und weiterverbreitet wurde, der Kopierer die Webseite des Rechtinhabers und sein dort eingestelltes Video möglicherweise nie gefunden hätte?

Was, wenn diese beiden Handelsvertreter sich das Video zunächst auf der Webseite ihrer Konkurrenz kopiert hätten, es dann "anonym" bei Youtube hochgeladen hätten, um es dann von dort aus per I-Frame auf ihren Seiten einzubinden? Gute Idee, ne? Laut neuestem EuGH-Urteil wären sie dann so gut wie aus dem Schneider. 

Gut, war nur mal so ein Gedanke. 

Die Entscheidung des EuGH kann "man" als Jurist auch ganz anders sehen. > Mehr <

Verweise:

Urheberrechtsgesetz:

§ 15 Allgemeines
(1) Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten; das Recht umfaßt insbesondere
1. das Vervielfältigungsrecht (§ 16),
2. das Verbreitungsrecht (§ 17),
3. das Ausstellungsrecht (§ 18).
(2) Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe 
umfasst insbesondere
1. das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19),
2. das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a),
3. das Senderecht (§ 20),
4. das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21),
5. das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22).
(3) Die Wiedergabe ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, 
oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.

...

§ 19a Recht der öffentlichen Zugänglichmachung
Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der 
Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.



Verweise:

Das EuGH-Youtube-Urteil im Volltext als PDF, eingestellt von den Anwälten, die dieses Urteil erstritten:
www.new-media-law.net/ger/aktuelles/EuGH_C_348_13_Framing.pdf

Die Pressemitteilung des BGH zur Weiterreichung an den EuGH
http://juris.bundesgerichtshof.de/

Die Entscheidung des BGH an den EuGH weiterzureichen und die ausführliche Begründung dazu:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/

Die "Svensson-Link-ist-Link-Entscheidung" des EuGH 
www.rechtec.de/News-Details

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