Folgender
Fall: Sie kaufen ein Auto und stellen dann bei
genauen Hinsehen fest, dass die Karosserie einen
Schaden hat, der von einem Unfall herrühren
könnte. Sie fahren nun zum Verkäufer und
verlangen Nachbesserung oder wollen vom Vertrag
zurücktreten.
Die
geltende Norm ist, dass eine gesetzliche
Gewährleistung von normalerweise zwei Jahren
gilt, die in besondern Fällen, wie im Handel
mit Gebrauchtwagen auf ein Jahr verkürzt werden
kann.
In den
ersten sechs Monaten der Gewährleistung gilt
(etwas vereinfacht!), dass der Verkäufer
nachweisen muss, dass eine Ware beim Verkauf
mangelfrei war. Nach sechs Monaten muss der
Käufer beweisen, dass ein aufgetretener Schaden
bereits beim Kauf (Gefahrenübergang) vorhanden
war.
Nun
gibt es aber Schäden, bei denen nicht immer
bestimmt werden kann, wann diese zeitlich
eingetreten sind. So könnten Sie z. B. ein Auto
kaufen, dann bauen Sie einen Unfall, lassen den
Wagen reparieren. Dann fahren Sie mit dem
reparierten Fahrzeug zu dem Händler, der Ihnen
den Wagen verkauft hat und machen diesem nun
bekannt, dass Sie vom Kaufvertrag zurücktreten
wollen, weil der Wagen einen Mangel hat,
der beim Kauf nicht sofort erkennbar war.
Geschieht dies innerhalb der ersten sechs Monate
nach Kauf und muss der Verkäufer nun beweisen,
dass der Wagen bei Kauf frei von Mängeln war,
könnte dieser nun ernsthafte Probleme haben.
Für
derartige Grenzfälle kann die Beweislast des §
476 BGB umgekehrt werden. d. h., dass z. B., ein
Reklamierender auch innerhalb der ersten sechs
Monate beweisen muss, dass bei Kauf und
Übernahme (Gefahrenübergang) die Sache bereits
mangelhaft war. Diese Meinung vertreten
zumindest einige Juristen.
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Im
vorliegenden Fall hatte ein Verbraucher ein Auto
(gebraucht) gekauft und dann einige Wochen
später beim Verkäufer moniert, dass der
Kotflügel und Stossstande vorne eine Verformung
zeigen.
Der
Verkäufer bestritt eine Haftung und berief sich
auf ein beim Kauf erstelltes Übergabeprotokoll,
nach dessen Aussage, die Karosserie bei
Übergabe des Wagens an den Käufer in
ordnungsgemässem Zustand war. Der Schaden
musste also - nach Ansicht des Verkäufers - nach
Kauf und Übergabe entstanden sein.
Der
Käufer trat nun vom Vertrag zurück und klagte
seinen vermeintlichen Anspruch ein. In erster
und zweiter Instanz gewann der Käufer seine
Klage. Nun musste der BGH dazu entscheiden. Es
ging in der Hauptsache um die Frage, ob die
Beweislastumkehr, also ob der Verkäufer die
Mangelfreiheit beim Kauf nachweisen müsse.
Der BGH
bejahte dies, wie es schon die Vorinstanzen
bejaht hatten.
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Dazu
die Pressemitteilung des BGH Nr. 123/2005 -
Beweislastumkehr
gemäß § 476 BGB bei
Karosseriebeschädigungen
Der
unter anderem für das Kaufrecht zuständige
VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte
über die Frage zu entscheiden, ob die
Beweislastumkehr gemäß § 476 BGB auch bei
Karosseriebeschädigungen eines verkauften
Kraftfahrzeugs eingreift.
Die
Beklagte betreibt einen Neuwagen- und
Gebrauchtwagenhandel sowie eine Werkstatt mit
Lackiererei. Im Oktober 2003 kaufte der Kläger
als Verbraucher von ihr einen Vorführwagen mit
einer Laufleistung von 13.435 Kilometern zum
Preis von 11.500 €. Das Fahrzeug wurde ihm am
selben Tag gegen Zahlung des Kaufpreises
übergeben.
Hierbei
unterzeichneten der Kläger und ein Mitarbeiter
der Beklagten ein formularmäßiges
Übergabeprotokoll, in dem der Fahrzeugzustand
durch Ankreuzen bestimmter Klassifizierungen
festgehalten wurde. Unter anderem für die
Karosserie ist dort die Klassifizierung 1 - „Einwandfreier
Zustand, nur geringe Gebrauchsspuren und
Verschleiss, regelmässig gewartet, voll
funktionstüchtig“ - angekreuzt.
Nach
dem Formulartext ist das Übergabeprotokoll „Grundlage
für die einjährige Sachmängelhaftung des
Verkäufers gegenüber dem Käufer“. Vier
Wochen nach dem Kauf monierte der Kläger unter
anderem eine leichte Verformung des Kotflügels
und des Stossfängers vorn rechts und verlangte
deren Beseitigung.
Die
Beklagte lehnte dies mit der Begründung ab, die
Beschädigung sei bei der Übergabe des
Fahrzeugs an den Kläger noch nicht vorhanden
gewesen. Daraufhin erklärte der Kläger den
Rücktritt vom Kaufvertrag. Seine auf
Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtete
Klage hatte in erster und zweiter Instanz
Erfolg.
In
der Revisionsinstanz stritten die Parteien in
erster Linie darüber, ob dem Kläger für die
als Sachmangel gerügte Karosseriebeschädigung
die Beweislastumkehr des § 476 BGB zugute
kommt.
Nach
dieser Vorschrift wird bei einem
Verbrauchsgüterkauf - dem Verkauf einer
beweglichen Sache durch einen Unternehmer an
einen Verbraucher - regelmässig vermutet, dass
ein Sachmangel, der sich innerhalb von sechs
Monaten seit der Übergabe an den Käufer zeigt,
schon bei der Übergabe vorhanden war. Das gilt
allerdings dann nicht, wenn diese Vermutung mit
der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar
ist.
Nach
einer im Schrifttum verbreiteten Auffassung soll
die Vermutung des § 476 BGB bei einer äusseren
Beschädigung der Kaufsache wie etwa einem
Unfallschaden eines Kraftfahrzeugs nicht
eingreifen, weil es sich dabei um einen Mangel
handele, der typischerweise jederzeit eintreten
könne und daher keinen hinreichend
wahrscheinlichen Rückschluss auf sein Vorliegen
bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs
zulasse. Dieser Auffassung ist der
Bundesgerichtshof ebenso wie das
Berufungsgericht nicht gefolgt.
Die
Vermutung soll schon nach dem Gesetzeswortlaut
im Regelfall zugunsten des Käufers eingreifen
und nur ausnahmsweise wegen der Art der Sache
oder des Mangels ausgeschlossen sein.
Mit
diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis wäre es nicht
zu vereinbaren, die Vermutung immer schon dann
scheitern zu lassen, wenn es um einen Mangel
geht, der jederzeit auftreten kann, und es
demzufolge an einer hinreichenden
Wahrscheinlichkeit dafür fehlt, dass er bereits
bei Gefahrübergang vorhanden war.
Die
Vermutungsregelung liefe daher regelmässig
gerade in den Fällen leer, in denen der
Entstehungszeitpunkt des Mangels nicht
zuverlässig festgestellt werden kann. Durch
eine derartige Einengung der Beweislastumkehr
würde der mit der Regelung intendierte
Verbraucherschutz weitgehend ausgehöhlt.
Die
Vermutung ist jedoch dann mit der Art des
Mangels unvereinbar, wenn es sich - anders als
in dem hier entschiedenen Fall - um äusserliche
Beschädigungen der Kaufsache handelt, die auch
dem fachlich nicht versierten Käufer auffallen
müssen.
Denn
in einem solchen Fall ist zu erwarten, dass der
Käufer den Mangel bei der Übergabe
beanstandet. Hat er die Sache ohne Beanstandung
entgegengenommen, so spricht dies folglich gegen
die Vermutung, der Mangel sei schon bei
Gefahrübergang vorhanden gewesen.
Obwohl
der Bundesgerichtshof in diesem Punkt dem
Berufungsgericht gefolgt ist, hat er das
Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an die
Vorinstanz zurückverwiesen, weil das
Berufungsgericht sich nicht verfahrensfehlerfrei
mit dem Einwand der Beklagten auseinandergesetzt
hat, die Beseitigung der Karosserieverformung
koste allenfalls 100 € und sei daher nur ein
unerheblicher Mangel, der den Kläger nach §
323 Abs. 5 Satz 2 BGB nicht zum Rücktritt
berechtige.
Urteil
vom 14. September 2005 - VIII ZR 363/04
LG
Heilbronn - 5 O 95/04 ./. OLG Stuttgart - 19 U
130/04
Karlsruhe,
den 14. September 2005

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